Interview mit einer Angehörigen: Aspekte in Zeiten der Veränderung
15.04.2025
15.04.2025
Frau Sabine Gratzl (am Foto ist ihre Mutter zu sehen) gehört zu den Angehörigen, die unmittelbar von der Umsiedelung des PBZ Tulln betroffen sind. Als Tochter einer betroffenen Bewohnerin, aber auch als Mitarbeiterin im Universitätsklinikum Tulln, hat sie uns in einem Interview ihre persönliche Sichtweise geschildert: Wie Bewohnerinnen und Bewohner und Angehörige die aktuelle Situation verarbeiten, wie Kommunikation den Austausch erleichtert und welche Ideen in einem neuen PBZ Tulln zukunftsweisend wären.
JD: Frau Gratzl, danke, dass Sie sich für das Gespräch bereit erklärt haben. Erzählen Sie mir doch zu Beginn ein wenig über Ihre persönliche Situation.
SG: Meine Mutter lebt im Wohnbereich vier. Geistig ist sie nicht beeinträchtigt, aber körperlich stark eingeschränkt, weshalb sie zu Hause überfordert war. Mein Vater lebt weiterhin daheim. Wir hatten Glück und bekamen letztes Jahr schnell einen Platz – die Wartezeit betrug keine zwei Monate. Das war überraschend, da wir ausschließlich Tulln als Wunschort angegeben hatten. Zum Glück hat alles wunderbar geklappt.
Die Übersiedelung des PBZ Tulln
JD: Ihr Mutter hat bereits von den Veränderungen des PZBs erfahren. Wie hat Ihre Mutter das verarbeitet?
SG: Anfangs zog sie sich zurück, aber das Personal des Wohnbereichs informierte sie gut über die bevorstehenden Veränderungen. Das hat ihr Sicherheit gegeben. Im Nachhinein hat sie erzählt, dass die Ungewissheit sie belastet hat und sie zeitweise Albträume hatte. Doch als sie wusste, wohin sie kommt, war sie erleichtert.
JD: Also war eher die Ungewissheit belastend?
SG: Genau. Sobald sie wusste, dass sie im Weißen Hof untergebracht wird und dass bekanntes Personal mitzieht, fühlte sie sich sicher. Sie ist sehr gefasst, verarbeitet vieles mit sich selbst, spricht aber offen, wenn man nachfragt. Wir haben über Alternativen gesprochen, aber für sie steht fest: Sie möchte mit ihrer Gruppe umziehen. Der Zusammenhalt mit den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern und dem Personal ist ihr sehr wichtig.
JD: Lassen Sie uns über die geplante Übersiedlung sprechen. Wie haben Sie die Kommunikation dazu erlebt?
SG: Anfangs gab es nur vage Informationen. Es hieß, es werde teilweise umgebaut. Doch als die endgültige Entscheidung für den Neubau fiel, wurden Bewohnerinnen und Bewohner und Angehörige zeitnah informiert. Am Tag nach der internen Bekanntgabe fand bereits eine Infoveranstaltung für Angehörige statt, und wenige Tage später gab es Updates auf der Homepage.
JD: Gab es Informationen, die Ihnen gefehlt haben?
Zusammenhalt mit Bewohnern und Personal ist wichtig.
SG: Nein, die bereitgestellten Fragen-und-Antworten waren sehr hilfreich. Zudem bekomme ich laufend Informationen durch Gespräche mit meiner Mutter und dem Personal.
JD: Fühlen Sie sich als Angehörige in den Entscheidungsprozess eingebunden?
SG: Ja, und das ist mir besonders wichtig. Meine Mutter wird regelmäßig informiert und kann ihre Meinung äußern. Es ist entscheidend, dass die Bewohner aktiv einbezogen werden.
JD: Jede Veränderung bringt Herausforderungen, aber auch Chancen. Wo sehen Sie Sorgen und Hoffnungen?
SG: Die größte Sorge ist, dass sie ihr Einzelzimmer verlieren könnte, das sie liebevoll eingerichtet hat. Gleichzeitig freut sie sich aber auf die grüne Umgebung des neuen Standorts.
JD: Was ist Ihnen bei der neuen Unterkunft besonders wichtig?
SG: Neben der Zimmergröße und einem Balkon ist mir wichtig, dass auch ehrenamtliche Helfer und Seelsorger verfügbar sind.
JD: Wie sieht es mit der Erreichbarkeit aus?
SG: Für mich ist das kein Problem, aber für meinen Vater wäre es schwierig, da die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln umständlich ist. Ein Shuttlebus wäre eine große Erleichterung.
Integration von Bewohnern und Angehörigen beim Umzug
JD: Wie können wir den Übergang für die Bewohner und Angehörigen möglichst angenehm gestalten? Uns ist bewusst, dass eine solche Veränderung Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Bewohner haben kann.
SG: Wichtig ist eine umfassende Information über verschiedene Kanäle. Bilder der neuen Einrichtung auf der Homepage helfen den Bewohnern, sich eine Vorstellung zu machen. Umfassende Information ist wichtig.
Gestaltung des neuen Pflegezentrums
JD: Wir planen einen Ideenwettbewerb für Mitarbeiter, um das neue Pflegezentrum nicht nur technisch modern, sondern auch menschlich ansprechend zu gestalten. Welche Wünsche hätten Sie als Angehörige?
SG: Das Gebäude sollte wohnlich wirken, mit viel Holz und Grünflächen. Ein großer Park mit Wegen wäre ideal. Mehr Einzelzimmer und helle Räume mit Balkonen wären wünschenswert. Außerdem sollte es Platz für private Möbel geben, um die Zimmer persönlicher zu gestalten.
JD: Das entspricht auch den aktuellen Vorgaben zur Barrierefreiheit.
SG: Trotzdem ist die Umsetzung oft schwierig. Zudem wären ausreichend Parkplätze, eine gute öffentliche Anbindung, eine Kapelle und ein großer Veranstaltungsraum wichtig.
JD: Multifunktionale Räume könnten hier also eine Lösung sein?
SG: Ja, genau. Ein Café, in dem Angehörige mit Bewohnern essen können, wäre ebenfalls schön. Soziale Begegnungen sollten gefördert werden, etwa durch kleine Aufenthaltsräume für Gespräche außerhalb der Zimmer. Unterschiedlich Farben in der Gestaltung der Wohnbereiche würden zudem bei der Orientierung helfen.
SG: Außenbereiche sollten verschiedene Sitzmöglichkeiten bieten, angepasst an die Bedürfnisse der Bewohner. Hochbeete für die Ergotherapie wären ebenfalls sinnvoll. Bewohner könnten dort Kräuter und Blumen pflegen. Ein Motorikweg mit verschiedenen Untergründen wäre eine gute Ergänzung. Ein kleiner Streichelzoo mit Tieren wie Ziegen kommt bei vielen Bewohnern gut an.
JD: Sehr interessante Ideen, die nicht unbedingt teuer, aber mit viel Herz umsetzbar sind.
SG: Genau. Und man sollte auch auf die kleinen Dinge des Alltags achten: Ein kleiner Shop mit Hygieneartikeln und Snacks wäre hilfreich. Zudem wäre ein Kindergarten oder Spielplatz in der Nähe schön, um Begegnungen zwischen Generationen zu ermöglichen. Für das neue PBZ empfehle ich, auf die kleine Dinge des Alltags zu achten.
JD: Ein wichtiges Thema – ältere Menschen sollten nicht isoliert werden.
Erfahrungen mit der aktuellen Einrichtung
JD: Gibt es Dinge, die unbedingt vermieden werden sollten?
SG: Ich habe bisher nur positive Erfahrungen gemacht. Meine Mutter blüht in der Einrichtung richtig auf. Sie kann wieder kreativ sein, was zu Hause nicht mehr möglich war.
JD: Das freut mich zu hören.
SG: Ich sehe das Ganze aus verschiedenen Perspektiven – als Angehörige und als
Krankenschwester und Physiotherapeutin mit neurologischer Erfahrung. Ich verstehe, was dieser Umzug für die Mitarbeiter bedeutet.
JD: Wir hoffen auf die Unterstützung der Angehörigen, um den Umzug so reibungslos wie möglich zu gestalten. Vielen Dank für das Gespräch!
SG: Sehr gerne!
Das Gespräch mit Frau Gratzl führte Jürgen Dostal von Proconsens.at.